Liebe meines Lebens

 

Wie Du spürst, haben wir uns immer noch nicht gefunden, so dass ich auch diesen Sommerabend allein im Garten sitze, neben mir ein Glas des Weines, den Du so lieben wirst. 



Es ist einer dieser lauen Sommerabende, die wir so gerne verbringen werden. Die drückende Hitze des Tages ist gewichen und die nun aufkommende Kühle so erfrischend, belebend. Die untergehende Sonne zaubert ein blutrotes Farbenspektakel und ich weiß, dass Du in diesem Licht noch viel bezaubernder aussehen wirst. 



Ich sehe wie die Sonne langsam untergeht und der Mond langsam mehr von seiner Stärke gewinnt. In solchen Momenten werden wir zwei aufstehen und noch einen Spaziergang durch die Nacht unternehmen. Wir werden dabei über unsere Vergangenheit reden, welche lustigen und auch schmerzhaften Erfahrungen wir gemacht haben. Die Lieben und Freundschaften, die wir verloren haben, die uns genommen wurden, aber auch die, die noch bis zum heutigen Tage erhalten geblieben sind. Vom Wein beschwipst werden wir unsere Scheu ablegen und im tiefsten Vertrauen werden wir dem anderen unsere größten Ängste erzählen, immer wissend, dass dieses Vertrauen nie gebrochen werden wird, dass wir dieses Mal nicht ein großes, tiefes Loch fallen werden. Wir werden unsere Ansichten über das Leben teilen, philosophieren über den großen Sinn hinter der ganzen Sache und obwohl wir uns nicht immer einig sind, werden wir dem anderen zuhören, aus seinen Ansichten etwas lernen für uns selbst. 



Wenn wir wieder kommen, die Sterne mittlerweile komplett am Himmel versammelt, werden wir von unseren langen Gesprächen aufgedreht sein, herumalbern und kichern. Wie die zwei Kinder, die wir einmal waren, und wie die zwei Kinder, die wir fast verlernt haben zu sein, werden wir uns kitzelnd über den Rasen rollen. Ängstlich und mutig zugleich werden wir einander berühren, im ernsthaften Spiel unserer Unfähigkeit, die Leidenschaft auszudrücken, die wir füreinander empfinden. Und dann wird ein Moment der Stille entstehen, ein magischer Blick in die Augen des anderen, plötzlich alles, aber auch alles begreifend. Der kleine Kuss, der aus diesem Moment entsteht, wird uns in dieser Sternennacht noch viel viel weiter bringen, als wir es jemals für möglich gehalten haben… 



Es sind Wolken aufgezogen am Himmel und es kündet sich eines dieser Sommergewitter an. Den Brief an Dich, meine Liebe, werde ich wohl nun beenden müssen. 



Ob wir uns später einmal in einer solchen Nacht, bei einem solchen Gewitter lieben werden? 



Der Himmel ist nun dunkel, keine der Sterne ist mehr zu sehen und das Licht der Kerze flackert höchst ungeduldig im aufkommenden Wind. Wird wohl Zeit, dass ich ins Haus gehe, mich alleine schlafen lege, um von Dir, der Liebe meines Lebens zu träumen. Und während ich denke, dass es langsam Zeit wird, dass wir einander finden, werfe ich einen letzten Blick auf den Himmel… Und sehe jeden einzelnen der Sterne unserer zukünftigen Sternennächte — durch alle Gewitterwolken hindurch…




© Nachtfalke_2004_D