Topf sucht Deckel

   
 

Im Schrank mit den anderen Töpfen war es dunkel und kühl. Manche Deckeln wackelten auf ihren Töpfen herum, andere wieder saßen so fest, dass der Topf bald zu platzen drohte, so schien es. Andere sahen gemeinsam glücklich und zufrieden aus. Sie waren alle nicht alleine. Bis auf den rosa Topf und ein gelber, weiter hinten im Schrank.
 
Ich war der rosafarbene Topf ohne Deckel und das schon länger. Irgendwie ist er mir abhandengekommen. Wenn ich so nachdenke und Zeit dafür habe ich mehr als genug, erinnere ich mich gerne an unsere erste Begegnung zurück. Wir begegneten einander  in einer fremden Küche, meine Haushaltsassistenz nahm mich zum Kochen mit und ein passender Deckel wurde gesucht. Fündig wurde man in einem Schränkchen unter der Kredenz. Naja, perfekt war wohl anders, aber mit ein paar Dehnungsübungen schaffte ich es mir den Deckel passend zu machen. Ein bisschen von oben angedrückt und schwupp di wupp, der passte! Er zwickte und zwackte anfangs herum, gab aber letztendlich auf und passte sich an. Er verhielt sich vorbildlich, ohne Zeter und Getue.
 
Weil wir so gut zusammenpassten durfte er mit nach Hause in meinen Schrank. Ich war von nun an nicht mehr alleine. Ich konnte mich anlehnen, wann immer ich wollte. Es war mein Deckel, der nur zu mir passte, dachte ich jeden Tag aufs Neue, wenn wir beide zum Kochen geholt wurden. Der Deckel war nicht auffallend, er nahm seine Aufgaben wahr und begab sich zur Ruhe wenn wir von unserem Arbeitsplatz entlassen wurden.

Ich kam auch viel mehr zu Einsatz als sonst. Ich wurde endlich akzeptiert, wurde mehr gewaschen und meine rosa Tönung wich einem rosa Leuchtsignal. Ich mochte ihn sehr, aber machte mir nie große Gedanken um ihn. Er war da und gehörte zu mir. Ich war so stolz. Die anderen Töpfe beneideten mich, plötzlich gehörte ich zu der großen Gruppe der „fertigen Topfeinheit“ dazu. 
 
Eines Tages, als ich meine Augen aufschlug war der Platz neben mir frei. Wo war mein Deckel? Ebenso fehlte der gelbe Topf weiter hinten im Schrank. Ich hörte laute Geräusche und Getratsche von der Anrichte in der Küche: „Schau mal, der Deckel passt doch perfekt. Viel besser, als beim alten Topf, den werde ich einfach austauschen und für den rosa Topf, wird sich ein neuer finden.“
 
Panik stieg in mir auf, ich hörte nur das freudige Zischen des gelben Topfes, der den Deckel bekam, nämlich MEINEN. Meine rosa Leuchtfarbe verblasste im Nu. Nein, das kann  nicht sein, warum rührt sich mein Deckel nicht, warum will er nicht bei mir bleiben, fühlt er sich nicht wohl mit mir? Es versteht es sich wohl von selbst, dass er nicht bleiben will, wenn es anderweitig besser für ihn passte. Er muss sich nicht verbiegen und kann sich selber einmal anlehnen.
 
Traurige Blicke und Geklapper von den anderen Töpfen erreichten mich in meiner Ecke. Tja, dieser Gruppenzwang: Wenn auch einige Deckel sich schon biegen, weil sie schon lange nicht mehr passen, sitzen sie noch so gut, ohne an einen Wechsel zu denken.
 
Ich drücke mich in meine heimische Ecke und warte auf Ersatz, ein neuer Deckel wird kommen, hoffentlich dann für immer.

© 7.2.2019